Berlin Marathon
Bericht von Stephan

Berlin, 24.9.2017, Straße des 17. Juni, kurz nach 9.00 Uhr

Ich stehe ziemlich weit vorne im Startblock C des Berlin-Marathons, vielleicht 40 m von der Startlinie entfernt. Hinter mir Läufer, soweit das Auge reicht.

Der Plan ist derselbe wie in den letzten Jahren: Möglichst gleichmäßig auf etwa 2:57 anlaufen und dann schauen, was nach KM 35 noch geht.

13 Grad, wenig Wind, die Straßen voller Pfützen. Es hat ziemlich viel geregnet heute Nacht. Man kann vor lauter Luftfeuchtigkeit die Siegessäule kaum sehen, 99% Luftfeuchtigkeit vermeldet der Sprecher. Das heißt, die Bedingungen sind nicht fantastisch, aber ok. 23 Grad wären schlimmer. 3 Grad auch.

Eine halbe Minute nach dem Startschuss bin ich über die Ziellinie und kann von Beginn an ziemlich frei laufen. Ich treffe schon auf dem ersten Kilometer das geplante Tempo von 4:12 pro KM und halte es dann ziemlich konstant. Zwischen 5 und 10 bin mal etwas schneller. Und KM 12 und 13 sind 5 Sekunden langsamer, das sind sie aber scheinbar immer, auch in der Spitze. Keine Ahnung warum.



Nach etwa einer Stunde fängt es richtig an zu regnen. Nicht sehr lange oder sehr stark, aber genug um nach ein paar Minuten völlig durchnässt zu sein, da kann man noch so aufpassen, nicht in die größeren Pfützen zu treten und genug Abstand zu den Mitläufern zu halten, damit man ihr Spritzwasser nicht abbekommt.

Halbmarathon durch in 1:28:14. Vor 5 Wochen habe ich die Zeit nicht einmal im Halbmarathon geschafft. Jetzt fühle ich mich zwar nicht mehr komplett locker, aber noch ganz gut.

Die Top-Athleten vorn wollen heute Weltrekord laufen, daher sind zum Teil auch die halben Kilometer markiert. Das macht konstantes Tempo noch einfacher.

Ich habe bei KM 27 auch nach 2 Gels unterwegs noch irgendwie Hunger und greif mir noch 2 Gels vom Verpflegungsstand. Am Wilden Eber kurz danach ist wieder mal Bomben-Stimmung. Für mich ist das die gefühlte Mitte, außerdem geht es jetzt wieder leicht abwärts. Die Spitze müsste jetzt bald ins Ziel kommen. Später erfahre ich, dass Bekele, sowas wie der größte Langstreckenläufer aller Zeiten und 10.000 und 5.0000 m Weltrekordhalter, und Kipsang, der vormalige Weltrekordhalter im Marathon, vorzeitig ausgestiegen sind – das Wetter war ihnen zu kalt und nass, und sie bekamen Probleme. Kipchoge, der Olympiasieger und im Moment wohl beste Marathonläufer auf der Welt, hat gewonnen, aber den Weltrekord um eine gute halbe Minute verpasst.

Ich kann das Tempo halten bis KM 35, dann drück ich mir das allerletztes Gel rein. Hinter dem Kudamm zieht es sich jetzt. Etwas Gegenwind hat es hier auch. Die Kilometer-Zeiten gehen auf über 4:20 hoch, ohne dass ich noch dagegen ankomme. Die Beine werden schwer und schwerer. Da kommt ein Stand mit Red Bull Schorle. Ich habe immer noch Hunger und versuche einen Schluck. Igitt!

Die Potsdamer Straße sieht heute auch nicht gerade hübsch aus. Für das Wetter sind aber viele Zuschauer am Streckenrand, auch hier am Potsdamer Platz. Dann geht es in die Leipziger Straße, da wird es einsamer, und das ist für mich immer das schlimmste Stück. Luft habe ich noch, aber die Beine wollen nicht mehr. Bei 39,5 steht meine Frau am Straßenrand und feuert mich an. Das hilft.

Endlich die nächste Ecke und dahinter KM 40. Vom letzten Mal Berlin weiß ich noch, dass der Rest dann irgendwie nochmal ganz gut gehen kann. 2:48:49 zeigt meine Uhr, ich habe also etwa eine Minute verloren von KM 35 bis 40. Bestzeit wird heute nix mehr, dafür bin ich nach 40 Kilometern 40 Sekunden zu spät dran. Aber wenn ich jetzt nur noch 9 Minuten für den Rest brauche, klappt das mit 2:57. Ich nehme nochmal einen Schluck Iso, spül damit den Mund aus und erhöhe das Tempo. Insbesondere als der 1. 3 Stunden-Pacer ansetzt, mich zu überholen. Wo kommt denn der her? Der soll doch 2:59 laufen und nicht 2:57. Ich erhöhe das Tempo weiter. 4:14 für KM 41. Nicht schlecht, aber ein bisschen schneller muss es doch noch gehen. Wir sind schon am Gendarmenmarkt vorbei. Die vorletzte Kurve. Nur noch eine und man sieht das Brandenburger Tor. Da ist sie schon. Wieder kommt der 3 Stunden Pacer auf meine Höhe. Also weiter beschleunigen. Wenn man mal das Brandenburger Tor sieht, geht’s fast von ganz allein – bei der ganzen Anfeuerung und bei der Kulisse. Durch und noch 300 Meter durchziehen.

Im Ziel dann 2:57:50 netto / 2:58:22 brutto. Super! Meine Konstanz über die letzten 4 Jahre wird mir ja langsam unheimlich. Und den letzten Kilometer muss ich wohl unter 4 Minuten gelaufen sein.



Nach dem Ziel dann Medaille, Verpflegung, Massage. So früh ist die Schlange da kurz. Noch ein Foto machen lassen und dann schnell trockene und warme Sachen anziehen:

Es ist immer noch feucht und kühl, also möglichst schnell ins Hotel zum Warmduschen.



Berlin ist super organisiert, aber natürlich eine Riesenveranstaltung mit diesmal über 39000 Läufern im Ziel. Und von Saarbrücken aus ziemlicher Aufwand. Nächstes Jahr mal wieder woanders wahrscheinlich.


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