Essen Marathon
Bericht von Stephan

Der Marathon “Rund um den Baldeneysee” in Essen ist der “älteste lückenlos ausgetragene Marathon Deutschlands" und führt zwei Mal um den Baldeneysee, einen 1932 durch Aufstauen der Ruhr entstanden See. Armin ist da vor Jahren mal gelaufen und war ganz begeistert von der schönen Strecke mitten im Grünen und der guten Organisation. Da ich Köln, Hamburg, Frankfurt und Berlin schon gelaufen bin, schien mir dieses Jahr Essen gut geeignet für die Fortsetzung meiner Serie  “Jedes Jahr bitte nur einen Marathon, den aber schnell”.

Die 3 Monate Marathon-Training liefen gut, nach dem selben Plan wie letztes Jahr: Pfitzinger, kann ich nur wärmstens empfehlen. Nachdem ich letztes Jahr ob der wenigen im Plan vorgesehenen langen Läufe noch unsicher war und lieber 2, 3 35er mehr gemacht habe, habe ich mir dieses Jahr dann wirklich nur 3 Läufe mit mehr als 30km angetan, aber etwa eine Hand voll um die 30km und etliche über 23 und 24km. Zwei Wochen vor dem Marathon kam ich beim 10km-Lauf in Altenkessel überraschenderweise tatsächlich mit 38:52,2 nochmal an meine uralte 10km-Bestzeit ran, die Form war also ok, ein HM 4 Wochen davor war mit 1:26:hoch auch ganz gut.

Nun der Tag X: Es ist angenehm kühl am 11.10.2015, vorm Start mit etwa 5 Grad sogar kalt, aber die Sonne scheint, keine Wolke ist am Himmel. Die Temperatur ist also ideal für Marathon, allerdings bläst ein kräftiger und böiger Ost-Wind. Mein Plan A ist nach einer Orientierungsphase auf den ersten 3 Kilometern locker einen 4:11er Schnitt zu laufen und damit zu versuchen, die 2:57:11 von Berlin letztes Jahr um ein paar Sekunden zu unterbieten. Plan B ist, unter 2:58 zu bleiben mit einem möglichst gleichmäßigen 4:12er Schnitt, wobei man am Anfang gewollt und am Ende gezwungenermaßen normalerweise ja immer ein paar Sekunden langsamer ist. Plan C ist “einfach” unter 3 Stunden zu bleiben.



Nach dem Start des sehr überschaubaren Feldes – dieses Jahr leider nur 725 Finisher – geht es ohne Gedränge los. KM 1 ist 5 Sekunden zu schnell, obwohl der 3-Stunden-Pacer mit seiner Gruppe zu mir aufläuft, ich nehme also etwas raus. KM 2 ist 5 Sekunden zu langsam, KM 3 auch noch ein wenig. Ich laufe jetzt alleine und merke deutlich den Gegenwind. Mist! Doch ein paar Kilometer später finde ich Anschluss an eine 2er Gruppe vor mir und bin in einem vernünftigen Tempo unterwegs, dass sich locker genug anfühlt. Es geht mittlerweile direkt am Ufer des Sees auf dessen Südseite weiter gegen den Wind.



Den herrlichen Blick über den See kommentiert ein Mitläufer mit “Ich kann das Ziel schon sehen”. Auf meinen Vorschlag: "Dann schwimm doch!” entgegnet er: “Morgen vielleicht”. Hilfe, ich bin unter Triathleten geraten! Ein älterer Läufer kommt von hinten und überholt uns. Ich überlege kurz mitzugehen, höre aber auf mein Körpergefühl und warte lieber mal ab, obwohl das Tempo mit 4:12 pro Kilometer einen Tick zu langsam ist für Plan A. Der Läufer hat bald über 50 Meter Vorsprung. Mal schauen, ob wir uns wiedersehen.

Wir laufen weiter zu dritt und in der Führung abwechselnd bis zum östlichen Ende des See und dann eine 2x3km lange Pendelstrecke auf einer Bundesstrasse hoch und wieder runter – der einzige landschaftlich langweilige Teil der Strecke. Auf der Nordseite des Sees geht es danach mit Rückenwind ein bisschen schneller im 4:10er Tempo wieder Richtung Start und Ziel. Ich pushe ein wenig mehr und meine 2 Begleiter lassen leider abreißen. Also alleine weiter, 30 Sekunden vor mir nur eine 2er Gruppe mit dem älteren Läufer, der mich vor einer Stunde überholt hat. HM Durchgangszeit ist mit 1:28:41 fast auf die Sekunde dieselbe Zeit wie in Berlin letztes Jahr. Hier wäre ich gerne 20 Sekunden früher gewesen, genau der Unterschied zwischen 4:11 und 4:12 eben. Letztes Jahr bin ich eine etwas schnellere zweite Hälfte gelaufen, aber das ist nichts, was man planen sollte, und worauf ich heute wetten würde, so richtig frisch fühle ich mich nämlich nicht mehr. Aber weiter! Die Kilometerschilder kommen jetzt andauernd. Vorbei am Start mit reichlich Zuschaueranfeuerung auf in die zweite Runde.



Nach den 2 leicht welligen Kilometern am westlichen Ende des See schließt einer meiner beiden Begleitern von eben wieder auf.  Den Marathongöttern sei Dank, denn es geht jetzt auf der Südseite erstmal wieder ein paar Meter hoch zur Staumauer des Sees und auch wieder gegen den Wind. Zahlreiche Segelboote nutzten das schöne Wetter und die steife Brise zum Segeln. Ein herrliches Bild, aber ich könnte auf den Wind verzichten. Denn wirklich locker ist das jetzt nicht mehr.



Wir laufen noch ein paar Kilometer zusammen und bei etwa Kilometer 32 endlich auf die 2er Gruppe vor uns auf. Leider verabschieden sich ein paar hundert Meter später alle Mitläufer nach hinten, die Gruppe fällt auseinander, und ich bin wieder allein, obwohl mein Tempo nur noch bei 4:15 pro KM liegt. Es wird nach weiteren 2 Kilometern jetzt auch mental sehr anstrengend, und ich habe einen leichten Hänger, allein gegen den Wind, die Beine gehen langsam zu, die Kilometer ziehen sich jetzt, und von Bestzeiträumen muss ich mich auch so langsam verabschieden. Aber was soll’s: Das letzte Gel rein, Wasser nachkippen. Fertig getankt für heute. Bei Kilometer 35 bin ich gut 20 Sekunden langsamer als in Berlin und dort war ich die letzten 7 wirklich sehr flott unterwegs. Ziemlich unmöglich das nochmal aufzuholen heute. Also eher Plan B: unter 2:58 bleiben.

Auf der 2. Runde entfällt dankenswerterweise die langweile Pendelstrecke, das Orgateam weiß also, wie man einen Marathonkurs gestaltet. Die letzten 6,5km geht es daher am Nordufer Richtung Westen dem Ziel am Regattahaus entgegen. Leider verläuft der Weg wie auf der erste Runde auch schon zum großen Teil nicht direkt am Seeufer, wo man den vollen Rückenwind hätte, sondern durch den Wald. Sei’s drum, durchziehen. Vor mir weit und breit niemand mehr, allein im Niemandsland muss ich tatsächlich auf die Hinweise der Streckenposten aufpassen, um mich nicht zu verlaufen.

Aber was ist das? Kurz vor KM 37 zieht plötzlich ein Läufer an mir vorbei. Den Marathongöttern sei erneut gedankt! Ich frage ihn, wo er jetzt so locker aussehend herkommt. Er erzählt mir, dass er die ganze Zeit immer ein paar Sekunden hinter mir her gelaufen ist, und motiviert mich dran zu bleiben. Da lasse ich mich doch gerne mitnehmen. Wir laufen jetzt nochmal ein Stück schneller, 4:12er Tempo – natürlich ist das jetzt anstrengend, aber ich bleibe an seinen Fersen. Die Muskel gehen zu, die Schritte werden kürzer, die Schrittfrequenz geht hoch. Noch 4 lumpige Kilometer. Ich verliere 10 Meter und kämpfe mich wieder ran. Noch 3. Vor der letzten Verpflegungsstation rufe ich nach Cola, aber wir sind zu schnell vorbei. Egal, das ist eh mehr für den Kopf. Von hinten kommt noch ein weiterer Läufer, aber mit einem Wahnsinnsspeed. Hoffnungslos da mitzugehen, der hat sich wohl  geschont bis jetzt und nimmt uns bis ins Ziel noch eine halbe Minute ab. KM 40 in 2:48:37, bleiben also noch rund 9:20 Minuten, um unter 2:58 zu bleiben. Das wird klappen, wenn wir auf dem Gas bleiben. Wir überholen noch den ein oder anderen Läufer, der uns jetzt förmlich entgegenkommt.

Ein paar hundert Meter vor dem Ziel geht es dann endlich direkt ans Seeufer. Jetzt haben wir richtig Rückenwind bis zum Regattahaus!  



An der Tribüne entlang, bei KM 42 steht 2:57:niedrig auf der Uhr und ich weiß, dass es mit Plan B hinhaut. Um die Regattatribüne rum und ich kann das Ziel sehen. Nochmal 100 m voll gegen den Wind, aber das ist jetzt auch egal.

Im Ziel bin ich dann mit 2:57:51 brutto hoch zufrieden. Zum vierten Mal unter 3 Stunden! Ich bedanke mich beim Pacemaker der letzten 5 Kilometer und den meisten meiner anderen Mitläufern, die in den nächsten 2, 3 Minuten auch ins Ziel kommen. Dadurch dass das Teilnehmerfeld so überschaubar ist, kann man zwar nur teilweise in der Gruppe laufen, aber im Ziel kennt man dann auch viele von unterwegs.

Fazit:

Essen ist ein sehr schöner Landschaftsmarathon mit kurzen Wegen, wenig Stress und bestens organisiert. Warum hier nicht weit mehr Läufer starten, ist mir ein Rätsel. Den Trubel von Köln, Frankfurt, Berlin oder Hamburg brauch zumindest ich nicht jedes Jahr. Die Strecke um den Baldeneysee ist schnell und ziemlich flach, hat aber ein paar Wellen und ist deshalb nicht ganz so schnell wie Berlin.


Mit der – für meine Verhältnisse – Super-Zeit von 2:57:48 netto wurde ich 28. in der Gesamtwertung und 4. von 121 Finshern in der M50. Am Ende haben 9 Sekunden für den 3. Platz in der AK gefehlt, wie ich später sehe. Aber mehr als ein 4:12er Schnitt war heute nicht drin, mehr Pushen in der ersten Hälfte hätte ziemlich sicher einen deutlichen Einbruch in der zweiten bedeutet. So war die zweite Hälfte knapp ein halbe Minute langsamer als die erste. Ziemlich optimal also, wie man auch an der 5km Splits sieht:

21:08 / 21:03 / 20:55 / 21:00 / 20:48 / 21:06 / 21:23 / 21:11 / 09:14


Mal kucken, ob und wo und was nächstes Jahr so geht.


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