Berlin Marathon
Bericht von Stephan

Diesmal also Berlin. Ich mag das zwar nicht: ein knappes Jahr vorher schon anmelden, Startplatzverlosung und so weiter. Da aber ein guter Freund da laufen wollte, und ich irgendwann auch mal den Berlin-Marathon machen wollte, dieses Jahr also Berlin.

Gut 3 Monate vor Berlin fing ich dann an ernsthaft zu trainieren. Nachdem ich das jahrelang nach Greif gemacht habe, und damit die letzten fünf Mal immer punktgenau zwischen 2:58 und 3:01 gelandet bin, fühle ich mich mittlerweile zu alt dafür: Jede Woche Läufe von 35 und mehr Kilometern und dergleichen. Man läuft fast 3 Monate mit schweren Beinen herum. Und der Umfang wird erst in den 2 Wochen vor dem Marathon reduziert, so dass ich selbst kurz vor dem Marathon noch müde Beine hatte.

Stattdessen trainiere ich diesmal nach einem Plan von Pfitzinger, einem Amerikaner: Weniger lange Läufe, weniger Knüppelintervalle, weniger harte Tempodauerläufe. Die Beine sind frischer. Dafür oft 24km Crescendo Einheiten. Und gelegentlich so Späße wie Samstag 10 KM-Rennen und Sonntag 29 KM im Crescendo zwischen 5:10 und 4:40 Minuten/KM. Oder in einer anderen Woche Dienstag 6x1000 a 3:45 und Mittwoch 23 KM Crescendo. Interessanterweise funktioniert das sogar; in seinem Buch erklärt er auch, wieso.
Insgesamt sind es etwa 8-9 Stunden Laufen pro Woche für 3 Monate. Die Vorbereitung läuft ok, die jetzt 3 Wochen Tapering davor sind auch zu ertragen. Die übliche leichte Erkältung habe ich diesmal dann auch schon anderthalb Wochen vor Berlin.

Als ich am letzten Septembersonntag  25 Minuten vor dem Start in den Startblock C komme, ist der zu meiner Überraschung noch weitgehend leer.
Ich setze mich erstmal noch ein paar Minuten hin und entspanne noch ein paar Minuten. Im Startareal war es ziemlich wuselig und mehr als 5 Minuten warm laufen waren nicht drin. Wowi und Katharina Witt geben nichts-sagende Interviews; Wowi muss sich rechtfertigen, warum es nächstes Jahr nicht mitlaufen will, wo er doch da soviel Zeit hat  – als müsste jetzt jeder Marathon laufen. Die Anspannung steigt langsam, die Asse werden vorgestellt, die Musik wird lauter, schnell noch ein Gel verdrücken, ein paar Schluck trinken und schon geht es los.

Nach etwa einer halben Minute bin ich über die Startmatte und kann schon am Anfang relativ frei laufen. Erst zwischen Kilometer 6 und 9 wird es hier vorne im Feld immer wieder mal eng. Und dann später an den Getränkeständen. Es herrscht strahlender Sonnenschein, kaum Wind, die Temperaturen sind noch kühl, aber später wird es dann doch etwas warm. Doch die Berliner Strecke bietet glücklicherweise jede Menge Schatten.

Mache den ersten 2, 3 vorsichtigeren Kilometern laufe ich wie geplant konstant um die 4:12 pro Kilometer. Verschiedene Oberschenkelmuskel fühlen sich nicht wirklich locker an, sind leicht verspannt. Nachdem am Wochenende davor plötzlich verschiedene Gesäßmuskel verspannt waren, und ich meinen normalen Laufschritt nicht mehr ziehen konnte, war ich am Donnerstag vor dem Marathon zum ersten mal seit Monaten nochmal schnell beim Physio. Ich hoffe, die Muskel geben sich jetzt und machen nicht unerwartet zu.
Ich laufe locker und möglichst schnell. Aber bloß nicht pushen. Kurz vor Kilometer 7 treffe ich tatsächlich einen Saarbrücker Läufer, der im selben Tempo unterwegs ist. Ein kurzer Plausch, aber zum länger Nebeneinander-her-Laufen ist es dann doch zu voll und zu schnell.
Die Strecke ist gut zu laufen, hat wenig Kurven, und hat kaum Erhebungen, Steigungen oder Berge kann man das nicht wirklich nennen. Immer wieder Zuschauer und Bands sorgen für Stimmung.

Bei Halbmarathon steht 1:28:41 auf der Uhr, in derselben Region also wie bei den letzten 3, 4 Marathons. Wenn ich gut durchkomme, ist die 2. Hälfte dann 'ne Minute langsamer, und das würde knapp für Bestzeit reichen. Die Oberschenkel fühlen sich langsam locker an. Ich bleibe im Tempo ohne lange drüber nachdenken zu müssen. Auch beim Wilden Eber und nach Kilometer 30 fühlt sich das gut an. Ich werde langsam optimistischer.



Auch als wir auf den Ku’damm kommen - den sollten die Berliner dann doch mal dringend neu asphaltieren – , wird das Laufen zwar langsam mühsamer, aber den KM–Zeiten sieht man es noch nicht an.



Es geht weiter Richtung Potsdamer Platz und es läuft immer noch in unveränderten Tempo. Kilometer 38 ist jetzt durch, es wird anstrengend. Normalerweise werde ich spätestens hier mindestens 5 Sekunden pro Kilometer langsamer. Marathon ist hinten raus ja immer wie eine Wundertüte, man weiß erst, was drin ist, wenn man reinguckt. Was diesmal drin ist, gefällt mir: Schneller geht nicht, langsamer aber auch nicht. Hinter dem Potsdamer Platz wird die Strecke ziemlich langweilig, die Leipziger Straße ist nicht so der Hit. Außerdem hat sich hier etwas leichter Gegenwind versteckt.

     

Endlich kommt die nächste Kurve und dann Kilometer 40. 2:48:10 steht auf der Uhr. Für 'ne Bestzeit kann ich ja jetzt schon fast ins Ziel Joggen. Für 'ne 2:57 sollte es mit etwas Einsatz auch noch reichen. Nach 40 Kilometern Anlauf im 4:12er Tempo versuche ich zu beschleunigen. Ein bisschen was geht noch…

Der Rest der Strecke ist extrem kurzweilig, alles geht ganz schnell: Letzter Getränkestrand, Gendarmenmarkt, die 2 letzten Kurven und man sieht das Brandenburger Tor. Jede Menge Zuschauer machen jede Menge Lärm. 6-700 Meter und man läuft durch.
Man sieht das Ziel, noch vielleicht 300 Meter entfernt. Das fühlt sich gut an! Das KM 42 Schild.



Die letzten 195 Meter noch durchziehen und ich laufe jubelnd ins Ziel. In 2:57:11!!! Tolle Nummer. Im 12. Marathon nochmal Bestzeit. Und im letzten, den ich in der M45 laufen werde. Weniger hart trainieren und damit schneller werden, oder wie?!?



Im Ziel bedankt sich ein Japaner bei mir, scheinbar hab ich ihn ein paar Kilometer gezogen. Er ist extra aus New York eingeflogen für diesen Marathon.
Ich frag die Helferinnen, die die Medaillen umhängen, wer gewonnen hat. Sie wissen es nicht, aber dass der Sieger mit unter 2:03 Weltrekord gelaufen ist, das wissen sie. Irre!



Nach etwas zu Essen und Trinken lasse ich mich erstmal in der Sonne auf der Reichstagswiese durchmassieren. Das tut gut!
Anschliessend umziehen. Absolutes Kaiserwetter, das hilft jetzt natürlich. Ich versuche einen Bayern zu trösten, der “nur” 3:01 gelaufen ist. In seinem 3. Marathon. Ungeduldig sind die jungen Leute heutzutage ;-)

Dann noch eine Zeit lang Läufer anfeuern, ab ins Hotel, duschen, und dann große Sause in Kreuzberg.

Berlin war gut organisiert, größere Schlangen hatte ich nicht, Strecke, Zuschauer und Athmospähre sind super, die Helfer sehr nett. Die Loslotterie hat aber irgendwie dazu geführt, dass bei 40000 verkauften Startplätzen nur 29000 ins Ziel kamen. Das sollte der Veranstalter mal nochmal anders regeln, zumal die Lotterie für Vereine und Gruppen auch doof ist.


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