Biosphärenlauf 2011
Erlebnisbericht von Armin Schwambach

Biosphärenlauf 2011 oder wie ich einen Lauffreund fand


Am Anfang, als ich den Termin für den Biosphärenlauf 2011 sah, stand die Idee, vier Tage in Folge einen Wettkampf zu machen. Wie verträgt Mann das, ist es überhaupt möglich, ohne Substanzverlust, vier Tage am Anschlag und drüber hinaus? Über Streckenprofile, Zweikämpfe und dergleichen hatte ich mir da noch keine Gedanken gemacht. Da es nur zwei Altersklassen gab, einmal die Läufer bis 39 und die, die älter sind, wäre auch ein Schielen auf die Wertung maßlos gewesen. Einfach mal kommen lassen …

1. Etappe - St. Ingbert


Profil 1.Etappe (Quelle milesmore)

So stand ich am Vatertag bei strahlendem Sonnenschein also nachmittags in St.Ingbert im Stadtpark und wartete mit weiteren knapp 200 Läuferinnen und Läufer, was uns die 1.Etappe bringt. Raus aus dem Park ging es nach nur etwa 500 Meter gleich den Berg hoch, am „blau“ vorbei, in den Schatten spendenden Wald. Die Sonne sollte uns die kommenden Tage nicht nur Freude bringen. Dieser Anstieg zog sich bis hinter KM 3 und ich hatte ja richtig Tempo drauf, 4.30 min den KM, die anfängliche Euphorie bezüglich dieses Events bekam erste Dämpfer. Dann ging es endlich bergab, Erholung war angesagt und das bei einem Schnitt um vier Minuten. Kurz vor KM 5 hatte ich dann ein Deja Vu Erlebnis der besonderen Art. Mitten auf dem Weg, den wir laufend entlang kamen, stand eine Bank. Nicht längs der Laufrichtung zum Ausruhen, sondern quer zum Abbiegen. Ein Hauch von Bärenfels machte sich breit, es ging einen Trampelpfad steil bergab, mehr als tippeln war hier nicht mehr drin, weiter über eine Wiese zur Verpflegungsstelle. Nach einer kurzen Erfrischung ging es auf einem breiten Waldweg weiter bis nur wenig später ein Streckenposten unmissverständlich per Handzeichen klarmachte, breit und gut zulaufen war jetzt, hier geht´s rauf !

Was man mit erstem Blick in den dunklen steilen Hang nur erahnen konnte, zeigte sich deutlicher, als wir drin waren. Ein weiterer Trampelpfad sollte für den nächsten Kilometer unser Boden sein - und das auch noch steil bergauf. Jetzt war es schon richtig hart. Kurz vor KM 7 waren wir dann erlöst, es ging wieder bergab. Und weil die letzten Kilometer dieselben waren wie die ersten, war klar, ins Ziel kann man es rollen lassen. Was ich dann auch tat. Bis etwa zwei Kilometer vor dem Ziel von hinten eine Stimme schnaufte: „Super, sieeeht guut aus!“ Ich konnte nur noch „Och joo“ entgegnen, wollte keinen Meter Preis geben und blieb neben Ihm. Für was war ich sonst hier. Und obwohl noch drei Etappen vor mir lagen, gab ich alles, konnte meinem Kontrahenten bis ins Ziel der knapp 10 KM langen Strecke 5 Sekunden abknöpfen, wurde mit 43 Minuten 20. von 178 gesamt gewerteten Läufern. Ich war überrascht, wie gut es doch lief.


2. Etappe - Niederwürzbach


Profil 2.Etappe (Quelle milesmore)

Am Freitagabend ging es nach Niederwürzbach, die zweite Etappe startete am Annahof und fand auch dort sein Ziel. Natürlich hatte ich am Nachmittag die Ergebnisliste des Vortages studiert und geschaut, wer so alles um mich herum in der Liste steht. Der Mann von gestern war also Erich Binzel, Nummer 1003. Auch die anderen Mitstreiter meines Leistungsniveaus hatte ich mir anhand der Nummern gemerkt und im Startgelände ausgeguckt. Wie die Strecke genau werden würde, konnte niemand so recht sagen, darum hieß es für mich mit Bedacht, aber flott loslaufen, die Kontrahenten immer im Blick. Die ersten 4 KM verliefen recht abwechslungsreich, mal auf, mal ab, ein Rhythmus wollte sich nicht so recht einstellen, das richtige Tempo konnte ich nicht finden. Ich hatte den Eindruck, viel zu schnell zu sein, obwohl ich mir immer sagte, Körner sparen, solange keiner der im Gesamtergebnis hinter Dir Platzierten an dir vorbeilaufen.

Ab KM 4 kam dann doch etwas unverhofft eine gut eineinhalb Kilometer lange Steigung, die oben in einem schlecht zu laufenden, aber flachen etwa 1 KM langen Sandweg mündete. Ab KM 6,5 ging es dann stetig bergab. Und da war es wieder: „Du sieesch guut aus, weida so!“ Erich hatte mich wieder eingeholt und legte ein enormes Tempo vor. Doch ich konnte dran bleiben, die letzten beiden Kilometer liefen wir extrem flott um die 4 min / KM und lieferten uns ein tolles Kopf an Kopf Rennen. Etwa 500 Meter vor dem Ziel kam ein kurzer, aber heftiger Stich. Ich weiß nicht wie, auf jeden Fall hatte ich im Ziel erneut einen kleinen Vorsprung von 8 Sekunden auf Erich herausgelaufen und wurde mit abermals 43 Minuten 16. gesamt. Im Ziel herrschte erstmals eine freundschaftlich familiäre Atmosphäre unter denen, die sich vorgenommen haben, alle vier Etappen zu machen. Erich und ich zeugten uns gegenseitiges Lob für einen tollen Zweikampf.


Zweite Etappe geschafft - Thomas Wagner von den Rennschnecken Dudweiler, ich und Erich (v.l.n.r.)


3.Etappe - Niedergailbach


Profil 3.Etappe (Quelle milesmore)

Am Samstag kam die bereits Tags zuvor unter uns Läufern heiß diskutierte Etappe in Niedergailbach. Nicht nur gut 30 Grad und extreme Schwüle sollten uns auf der gut 8 KM langen Strecke, nahezu ohne Schatten, zu schaffen machen. Erstmals in meiner Laufkarriere nahm ich während des Wettkampfs eine Flasche Wasser mit. Ich hatte gehörigen Respekt vor dem, was kommt. Ich hatte auf Erich, mit dem ich mittlerweile ein sehr herzliches und freundschaftliches Verhältnis hatte, 13 Sekunden Vorsprung und die wollte ich auf jeden Fall retten.


Erich und ich vorm Start im Schatten und noch guter Dinge

Vom Start weg ging es erstmal steil bergab, um nach 400 Meter noch mal so steil bergauf zu laufen, allerdings gut einen KM lang. Am höchsten Punkt der Strecke angekommen, ein Schild 360° Panoramablick, ich sah nur Sonne. Und die brannte unaufhörlich. Doch keine Zeit zum Verschnaufen, es ging wieder bergab über eine Wiese. Teilweise so steil, dass ich wieder einmal nur tippeln konnte.

 

Rauf zum Galgenberg und wieder runter zur Villa Rustica

Danach ging es meist flach, höchstens leicht wellig, vorbei an der Villa Rustica und ein Stück durch Frankreich wieder Richtung Niedergailbach auf der alten Bahntrasse. Wer sich, wie ich Gedanken machte, wo das Ziel, welches gleich dem Start war, liegt, wusste, wir sind unten, das Ziel liegt da oben. Und so war es wieder ein Streckenposten, der uns aus allen Träumen riss und die Richtung vorgab. Was ist das, eine Waldtreppe, so steil wie höchstens noch die Treppen im eigenen Haus. Die sengende Hitze auf den bislang gelaufenen 7 KM hatte mich an den Rand der Erschöpfung gebracht, ich konnte nicht mehr und musste gehen. Und als wenn das nicht schon genug der Niederlage wäre, kam von hinten: „ Logga bleiwe, siiiesch noch gut aus!“ Der Erich schlappte locker die Treppen rauf an mir vorbei. Mensch Erich, ich hatte die ganze Zeit auf dich gewartet, aber in dem Moment, war mein Kopf so leer, dass ich dich gar nicht mehr richtig wahrgenommen hatte.

Als wir oben angekommen sind, rettete mir mein Wasser Kopf und wohl auch den Zieldurchlauf. Ich kam wieder zu mir, es war noch etwa ein Kilometer zu laufen, leicht aber stetig bergan. Als ich von hinten ein Schnaufen hörte, dachte ich, ha´ der Erich, heute kriegst du mich aber nicht ein. Ein Blick zur Seite, Nummer 1037. Mist Erich läuft ja etwa 100 Meter vor mir, das ist Axel Künkeler von laufreport.de, in der Gesamtwertung Ü40 nur knapp ne Minute hinter mir. Das auch noch. Doch es spornte mich jetzt eher an und ich konnte wieder locker werden und Gas geben. Als wir auf die ca. 400 Meter lange Zielgerade kamen, sah ich, dass auch Erich am Limit lief. Für mich war klar, Ihn bekomm ich nicht mehr, so wenig wie möglich Zeit verlieren, war mein Ziel. Der Zweikampf mit Axel half mir hierbei, ich kam bis auf vier Sekunden an den Binzel heran. Was für eine Etappe, trotz des Einbruchs noch 37 Minuten gelaufen und 18. von 148 gewerteten Läuferinnen und Läufer.

 

die letzten gut 2 KM hatten es wirklich in sich


4. Etappe - Sitterswald


Profil 4.Etappe (Quelle milesmore)

Nach einer kurzen Nacht, standen wir alle am frühen Sonntagmorgen in Sitterswald wieder zusammen. Die Königsetappe, wie Sie Organisator Niedermeier mal nannte, stand an. Mir tat noch alles weh vom Abend zuvor. Einzig der Gedanke, die letzte Etappe, machte nicht nur mich froh. Die Sonne zeigte sich bereits wieder von Ihrer schönsten Seite, die Zeit verstrich, nur noch zehn Minuten bis zum Start. Wo ist Erich? Keiner hat Ihn gesehen, vielen war unser knappes Duell natürlich mittlerweile bekannt und alle kannten Erich, doch wo ist er? Noch acht Minuten … da kam er über den Parkplatz gerannt, aufgewühlt und aufgeregt, er hatte sich verfahren.

An der Startlinie standen wir alle zusammen, der Axel, der Uwe, der Erich, der immer noch auf 180 war, und ich. Für mich war wieder klar, die Angriffe von Axel und Erich, auf den ich noch zehn Sekunden Vorsprung hatte, abzuwehren. Uwe konnte ich nicht mehr einholen. So fiel der Startschuss und wir ließen es locker angehen, ging es doch die ersten eineinhalb Kilometer leicht bergab. Doch was ist das? Erich war immer noch voller Adrenalin, ob des fast verpassten Starts, dass er loslegte, als wären wir schon bei KM Sieben oder Acht. In etwa so lange braucht er nach eigenen Angaben immer, bis er warm ist. In mir war natürlich der Ehrgeiz gepackt, den 5.Platz wollte ich nicht kampflos hergeben, also blieb ich dran. Doch diesmal konnte ich nicht neben Erich bleiben, er war einfach zu schnell für mich. Nach dem Bergabstück ging es vier Kilometer bergauf, vorbei am Mühlchen, hinauf zum Dragoner Weg. Und der Anstieg nahm kein Ende, nahm kein Ende, nahm kein Ende …

Die eigenen Gedanken hingen nur an der Verpflegungsstelle, die uns oben erwartete, so schleppte ich mich den Berg hinauf. Selten sehnte ich eine Wasserstelle so herbei, wie diese. Zum Glück hat der Veranstalter ab der zweiten Etappe erlaubt, komplette Flaschen auszugeben, wovon viele bei den Temperaturen auch Gebrauch machten. Erich hatte ich dabei immer im Blick, er war etwa 10 Sekunden vor mir. Die letzten fünf Kilometer waren mir bekannt, so dachte ich zu dem Zeitpunkt noch, ging es doch über die Auersmacher Felder Richtung Hanweiler. Die Sonne brannte und die Flasche Wasser in der Hand diente mehr zur Kühlung des Verstandes als dem Trinken. Bei jeder Gelegenheit nutzte ich auf den Feldern Sträucher oder sonstige Details am Wegesrand, den Abstand zu Erich abzuschätzen. Mal waren es 12 Sekunden, mal zehn, mal acht, mal wieder elf. Als wir die Wellen vor dem ehemaligen Ziel des ehemaligen Auersmacher Volkslauf passierten war ich am Anschlag. Aber zu dem Zeitpunkt ging es nicht nur mir so. Selbst Uwe konnte ich mittlerweile überholen, doch meine Gedanken galten nicht Ihm, die galten dem Erich und meinen zehn Sekunden. Durchs Wohngebiet der Schwarzwaldstraße, vorbei am Sportplatz, das Ziel an der neuen Hanweiler Therme geografisch gesehen noch ein gutes Stück tiefer. Lass laufen, noch eineinhalb Kilometer.

Und wie aus dem Nichts stand da plötzlich eine Wand von gut 300 Meter vor uns, es ging nicht rechts, sondern links am Reiterhof vorbei. Und dort geht es bergauf. Und nach vier Tagen Vollgas, fast 40 teilweise extrem harten Kilometern in den Beinen, kann dich so ein „Hügel“ im wahrsten Sinne des Wortes derselben berauben und dich umhauen. Mehr als kleine kümmerliche Schritte waren nicht mehr drin. Erstmals gratulierte ich innerlich dem Erich für das tolle Finish und den verdienten fünften Platz, ich hatte es Ihm zu diesem Zeitpunkt von ganzem Herzen gegönnt!
Doch wir alle hatten vier schwere Tage in den Beinen, Erich konnte seinen Vorsprung nicht mehr ausbauen. Meine letzte Sekundenzählung lag schon eine Weile zurück und das Ziel, mit dem großen Bogen und der großen Uhr, bergab vor uns. Jetzt hieß es, noch ein letztes Mal, alles geben. Erich lief in 51.18 min über die Ziellinie. Ich war leer im Kopf, schmiss die Wasserflasche vom Dragonerweg, die mich bis hierher tapfer vor dem Überkochen bewahrt hat, in die Büsche und zählte mit Blick auf die roten Ziffern mit … 19 … 20 … 21 … 22 … 23 … 24 … 25 … Pieps… Es hat gepiepst, ich bin im Ziel !!!

Trotz Frau, trotz Kind, die mich erwarteten, als erstes fiel ich Erich in die Arme. Er meinte: „Du haschs verdiient!“ Und ich merkte, er meinte das auch genau so. Wir lieferten uns an jedem der vier Tage einen harten Zweikampf, verloren dabei aber nie die Achtung voreinander. Ich hatte, nicht erst jetzt im Ziel, einen tollen Lauffreund gefunden. Danke Erich !

Für mich persönlich war es, nach meinem ersten Marathon 1999 in Köln, der größte sportliche Erfolg. 11. Platz in der Gesamtwertung bei gewerteten 72 Läuferinnen und Läufern, die alle vier Etappen bewältigten. Wichtiger aber ist mir der 5. Platz in der Altersklasse der Männer über 40. Alleine hier wurden 39 Läufer gewertet, die an allen vier Tagen starteten, es war also die, bei weitem stärkste Gruppe…

Ob ich mir das Ganze im nächsten Jahr erneut antue, kann ich nicht sagen. Sportlich kann ich nur verlieren, menschlich könnte ich wieder auf meinen Freund aus Gunsenum treffen. Wenn das kein Grund ist ?

Endlich im Ziel - SR Mann Lutz Binder, Uwe Karmann (2.v.l.), Erich (re.), ich und Charlotte


zurück zum Inhalt